Meine bezaubernde Freundin Gela Löhr, Chefredakteurin des Onlinemagazins LEMONDAYS hat anlässlich ihres 50. Geburtstags zu einer Blogparade „50 Jahre ICH“ aufgerufen. Mir war sofort klar, da bin ich als Redakteurin mit einem Beitrag dabei. Aber:
Ich steckte mitten in den Vorbereitungen für die Ausbildung meiner LebensDolmetscherinnen® und war zeitlich sehr angespannt. „Außerdem habe ich die 50iger schon lange überschritten!“ entschuldigte ich mich bei mir selbst. Aber in meinem Kopf dröhnte unüberhörbar eine laute Stimme: „Silke, das musst du dir anschauen!„
Ich schüttelte mit den Kopf, als könnte ich damit die laute Stimme leiser machen: „Natürlich schau ich mir die Blogparade an!“ antwortete ich mir selbst. „Nur im Moment habe ich gar keine Zeit, selbst einen Beitrag zu schreiben.“ „Oh Nein!“ kreischten die Stimmen in meinem Kopf, als wären sie eine Horde durchgeschwitzter Teenager vor der Konzertbühne ihres Lieblingsstars.
Irritiert schüttelte ich nochmal den Kopf, wohl wissend, dass kreischende Teenager nicht aufzuhalten sind.
„Silke, du musst dir das anschauen! Jetzt sofort! Nicht nur die Blogparade selbst! Es geht darum, DEINE letzten 50 Jahre anzuschauen!“
Ich spürte ein plötzliches Unbehagen. Mein Magen begann zu flattern, meine Hände wurden feucht und mein Herz klopfte immer lauter trommelnd wie ein wildgewordener Schlagzeuger einer Rockband.
Bevor ich diesen ohrenbetäubenden Lärm und völlig irrationalen Stress in mir wegatmen konnte, purzelten Bilder und Geschichten wie Foto-Stapel aus meiner mittlerweile fast 60-jährigen Gehirn-Bibliothek direkt vor mich hin.
Diese inneren Bilder wirkten etwas vergilbt und irgendwie eingestaubt. Das unbehagliche Gefühl drängelte sich wie ein wild flackernder Laserstrahl punktgenau in mein Gedächtnis.
Ich war irritiert. Ich wollte mich ablenken und spürte gleichzeitig: Da ist noch etwas, das noch nicht erledigt ist!.
Vielleicht muss ich an dieser Stelle erklärend erwähnen, dass ich grundsätzlich nicht so gerne zurückschaue! Mein Leben beginnt jeden Tag neu.
Da meine Augen an der Vorderseite meines Körpers sind, ist es auch logischerweise einfacher, nach vorne zu schauen.
Silke Steigerwald
Vielleicht muss ich auch noch ergänzend erwähnen, dass ich lieber meine Zukunft visualisiere, statt über meine Vergangenheit nachzudenken.
Da meine Vergangenheit hinter mir liegt, und nichts, aber auch gar nichts daran zu verändern ist, ist es auch logischerweise für den Ar… nach hinten zu schauen.
Silke Steigerwald
Mittlerweile bildeten sich Pfützen in meinen Händen. Ich suchte nach dem Notausgang in diesem Hirn-Kino. Aber keiner meiner kleinen Ausreden-Saboteure tauchte auf und mahnte: „Hei, mach erst mal deine Ausbildungs-Module online-tauglich!“ Nicht mal mein innerer Security-Kraftprotz trat auf meine Bühne und raunzte. „Erledige erst mal die E-Mails, räum die Spülmaschine aus, häng die Wäsche auf..!“
Das Herzklopfen blieb.
„Laufe los!“ hörte ich mich rufen. „Lauf deinen Stress weg!“ Aber meine Seele flüsterte: „Bleib da! Egal wohin du läufst, du nimmst dich immer mit!“
In solchen Momenten weiß ich: Jetzt muss ICH genau das tun, was ich meinen Klienten in solchen Situationen rate: „Bau ein Lebens-Puzzle. Das ist die beste Lösung gegen diesen Hirn-Rock n‘ Roll„. Ich rettete mich in mein Büro und begann damit, mein eigenes Coaching-Modul „Das Lebens-Puzzle“ für mich selbst anzuwenden.
Fängst du bei einem Puzzle auch immer mit den Eckteilen an und baust dann den Rand?
Ein Lebens-Puzzle funktioniert so ähnlich. Exakt in diesem Moment hüpft das erste der vier Eckteile auf mein Papier:
Silke mit 10: Meine Mama heiratet. Einen Porsche-Fahrer! Wow, ich bin beeindruckt. Ob es tatsächlich der Porsche ist der mich beeindruckt, weiß ich nicht mehr genau. Wahrscheinlich ist es eher die Tatsache, dass ich endlich auch einen Papa habe. Wie die anderen in meiner Klasse. Nur wenige Monate später kommt mein kleiner Bruder dazu. Du lieber Himmel, was bin ich stolz auf ihn!
Aber ich vermisse meine Großeltern bei denen ich bis zur Heirat meiner Mutter gelebt habe. Jeden Sonntag-Abend schaue ich die Fernseh-Serie „Die Waltons“. Traurig und fast ein bisschen neidisch schaue ich auf diese heile Welt, in der Eltern, Großeltern und viele Kinder in einem Haus leben.
Silke mit 20: Ungezähmter Freiheitsdrang. Ich will nur noch weg von zu Hause. Und vor allem weg vom Finanzamt. Da ich die Ausbildung nur mache, weil ich a) mit 1,60m zu klein war um Stewardess zu werden, und b) meine Noten nicht gut genug waren für eine Ausbildung im Hotelmanagement begegne ich meinen ersten „Versagens-Gefühlen“.
Vielleicht war die Ausbildung zur Finanzwirtin aber auch nur notwendig, damit ich meinem ersten Ehe-Mann und zukünftigen Vater meiner beiden Töchter begegnen kann. Doch der Freiheitsdrang bleibt. Exakt einen Tag nach der Abschlussprüfung kündige ich – ohne lange zu überlegen – die „Beamtin auf Lebenszeit“.
Eine Woche später kann ich dann doch ins Ausland reisen. Naja, zumindest vom Büro aus. Ich finde durch einen der glücklichen Zufälle im Leben einen Job als Exportsachbearbeiterin.
Silke mit 30: Zum ersten Mal heile Welt. Ich bin jetzt verheiratet und lebe in einem kleinen Haus am Stadtrand. Rundum zufrieden, und vor allem glücklich über meine beiden wundervollen Töchter. Jetzt scheint auch endlich meine Mama glücklich zu sein: Ihre freiheitsliebende rebellische Tochter ist unter der Haube und führt ein „anständiges“ Leben! Ich gebe meinen Job auf und arbeite von nun an im Autohaus meines Vaters und gebe meine Kinder in die Obhut meiner Mutter. Aber meine Lust auf das Leben und seine Geheimnisse treibt mich weiter. Ich beginne wieder mit großem Eifer zu lernen. Doch dieses Mal etwas, was mich wirklich interessiert:
Ich werde Teil einer visionären homöopathischen Pionier-Gruppe und lasse mich zur Gesundheitsberaterin ausbilden. Ich will tiefer in die Faszination des Körpers einsteigen und werde Körpersprache-Expertin. „Nebenher“ studiere ich 3 Jahre lang schamanistische Psychologie, und tauche in die Welt der Spiritualität ein. Ein paar Jahre später bin ich „Managerin“ in einem monetär sehr erfolg-reichen Network-Marketing in der Gesundheits-Branche. Sehr zum Unwillen meines Mannes, weil ich plötzlich anstelle der klassisch artigen Hausfrauen-Rolle immer öfter auf der Bühne stehe und als begeisterte Speakerin und Motivationstrainerin mehr verdiene als er.
Silke mit 40: Mein 40. Geburtstag wird eingetrübt vom Tod meiner Mutter. Und aufpoliert von einer mir bis dahin unbekannten Schwester, die als uneheliches Kind meiner Mama wie aus dem Nichts auftaucht und den Verlust-Schmerz deutlich durch spannende Aufregung kompensiert.
Meine 40iger-Party ist geil. Mit über 60 Leuten feiern wir nach guter alter schwäbischer Tradition das Fest „dr Schwob wird erschd mit vierzig gscheid!“ Mein Mann und meine beiden Töchter spielen mir zu Ehren sogar ein komplettes Theaterstück. Die Champagner werden entkorkt. Es wird gelacht, getanzt, gejubelt.
Was die Gescheitheit mit 40 angeht und wie gut mein Mann Theater spielen kann, zeigt sich ein paar Wochen später: Er verlässt mich über Nacht und tanzt sein Leben mit einer anderen – natürlich viel jüngeren Frau – weiter.
Mann weg, Haus weg, Freunde weg. Mein Papa stirbt. Job weg. Geld weg. Und gesundheitlich ziemlich angeschlagen. Heile Welt adieu. Ich gehöre ab sofort zu den alleinerziehenden Frauen, bin Ende 40 und fühle mich uralt. Aber meine Kids brauchen mich. Keine Zeit, mit 4 einsamen Eckteilen in der Grube sitzen zu bleiben. Das ergibt kein vollständiges Puzzle. Ich beginne mich selbst zu motivieren. Ich will wieder aufstehen und weiterkommen.
Ich baue neue Rahmenteile in mein Lebens-Puzzle ein. Mit miesen und schlecht bezahlten Nebenjobs finanziere ich meine nächste große Ausbildung zur Dipl.liz. Antistresstrainerin®. Das Lernen lenkt mich ab vom emotionalen Schmerz und gibt mir Kraft für einen Neuanfang. Mein Puzzle wächst. Ich auch.
Silke mit 50: Strahlend. Echt und frisch verheiratet. Meine Familie wird größer. Meine geliebten Töchter werden erwachsen und haben neue „Helikopter-Bodyguards“ an ihrer Seite. Der jüngste Sohn meines „neuen“ Mannes zieht bei uns ein und aktiviert mein Mama-Gen. Doch mein Mann hält mir den Rücken frei für meine neue berufliche Herausforderung.
Ein weiteres Hochglanz-Foto leuchtet auf: Die Eröffnung meiner eigenen Beratungspraxis. Mit exakt 102 Besuchern. Meine Welt macht Purzelbäume. Meine neuen Nachbarn stehen Kopf. So viele Autos standen noch nie auf einmal in der Dorfstraße. Mein Leben rockt wieder.
Meine 50iger-Party: Klein, aber fein. Nicht viele meiner „alten Freunde“ freuen sich über mein neues Glück, aber ein paar wenige treue und echte Freunde feiern mit mir. Wie in den letzten 30 Jahren. Neue Freunde sind dazugekommen und die Glückwunschkarten meiner vielen neuen Kunden stapeln sich. Ich fühle mich angekommen. Endlich 50 Jahre ICH.
Mein unbändiges JA zum Leben leuchtet auf dem Kennzeichen meines nigelnagelneuen Autos. Meine Vision: „Alles wird gut, immer!“ wird zur selbsterfüllten Prophezeiung.
Silke mit fast 60: Ich gründe meine eigene Marke „LebensDolmetscherin®. Mein Lebens-Puzzle füllt sich. Ich betrachte es nachdenklich und mit klopfendem Herzen. Die Eckteile sind gesetzt. Die Ränder auch. Und viele Teile haben sich perfekt passend eng aneinander geschmiegt.
Hell leuchtend blinken die Familien-Puzzle-Teile. Meine Kinder lächeln mir entgegen, meine erste Enkelin wirbelt mit ihrer unbändigen Energie durch mein Puzzle. Mein Mann stärkt mich durch seine liebevolle Präsenz. Mein Bruder versprüht gute Laune. Strahlend blitzen die Kloster-Auszeiten und die vielen Begegnungen mit unzähligen Menschen durch mein Puzzle. Mein JA zum Leben wird reich belohnt.
Natürlich sind die dunklen Teile auf meinem Puzzle geblieben. Sie gehören zu mir. Ohne sie wäre mein Leben nicht das, was es ist. Aber sie sind längst verblasst, denn der Glanz der vielen leuchtenden Teile schimmert liebevoll über ihre Schwere und nährt ihre Tiefe.
Ich atme tief durch. Dem Himmel sei Dank. Es gibt noch genügend Platz für neue Teile. Ich weiß, es werden immer noch viele weitere glänzende Teile dazu kommen. Und wahrscheinlich auch noch ein paar dunkle. Aber jedes Teil wird immer den Stempel meines unabdingbaren Ja zum Leben tragen.
Zum Glück und hoffentlich darf ich noch ganz lange an meinem Puzzle weiterbauen. Für heute lehne ich mich zufrieden zurück und stelle fest:
Nicht alles muss immer und sofort fertig werden. ?
Silke Steigerwald
Danke Leben! Noch keine 60 und doch schon ein bisschen weise.
In diesem Sinne nochmal ein herzliches HAPPY BIRTHDAY an Gela. Auch du bist längst eines meiner leuchtenden Puzzle-Teile geworden.
Übrigens, wenn du liebe Leserin auch ein Lebens-Puzzle starten möchtest, dann melde Dich bei mir! Ich zeige dir gerne, wie das geht. HIER kannst du mich kontaktieren. Schreibe einfach in den Betreff: Das Lebens-Puzzle. Wir finden auch in Corona-Zeiten einen Platz zum Puzzeln. Versprochen!
Bevor ich mich für heute von dir verabschiede, möchte ich dir noch ein paar andere Beiträge aus der Blogparade vorstellen. Eigentlich müsste ich sie alle verlinken. Denn die spannendsten Geschichten schreibt immer das Leben selbst:
Ein paar Geschichten haben mich besonders berührt, amüsiert und begeistert:
Die Geschichte der mutigen Yvonne Partes und ihrer noch mutigeren Oma, die einfach alles liegen lässt und mit ihr nach Paris kommt.
Der Beitrag von Frau Dr. Heike Franz, die uns sämtliche Klischees in die Tonne kloppen lässt.
Die Geschichte von Jutta, die dachte, dass sie mit 40 schon alles erlebt hat.
Und von Kristina, die Clownin die von der Corona-Krise voll erwischt wird und trotzdem Lust zum Spielen hat.
Oder von Frau Dr. Heike Specht, die eine köstliche Hymne auf unsere Lebensmitte gereimt hat.
Oder von der Sportsfrau Tine Möller, die sagt: Es gibt sie, die Unterschiede!
Schau doch einfach auf der Blogparade vorbei. Wir freuen uns über deinen Kommentar, deine Nachricht UND ganz besonders auf DEINE Lebensgeschichte. Bis 13.05.2020 kannst auch DU noch dabei sein.
WEIL DU WICHTIG BIST!
Herzliche Grüße Silke
Liebe Silke,
ich liebe Puzzles! Und ja, ich gebe es zu: Ich liebe Geschenke!
Als hättest Du das gewusst, schenkst Du mir Idee und Anleitung zur Erstellung meines eigenen Lebens-Puzzles zu meinem Halbzeit-Geburtstag und zeigst mir dazu noch so einige hochspannende und berührende Teile aus Deinem Puzzle. Gut, dass die Bibliothek Deines Oberstübchens so gut sortiert ist und Du so herrlich bildhaft zu schreiben vermagst.
Auf uns Rebellinnen und Königinnen!
Danke von Herzen für Deinen Blogparadenbeitrag und einfach für alles!
Deine Gela
Was für ein berührend ehrliches Stück Silke. Du bist unglaublich stark und ich kann deine LebensDolmetscherInnen nur beglückwünschen eine so versierte und reflektierte Lehrerin zu haben. Die Technik des Lebenspuzzles würde ich übrigens gerne lernen, ich fange Puzzle immer am falschen Ende an. ?