Ich glaub ich werde alt….
Diese Gedanken zogen durch meinen Kopf als ich letzte Woche ziemlich müde von meinem Seminar am Chiemsee Richtung heimwärts fuhr. Ich hatte an diesem Wochenende tolle Frauen in meinem Workshop. Wir haben die Zeit genossen und hatten wunderschöne Erlebnisse mit unserem „Kraftpaket Natur“. 12 Frauen durch ein Wochenende zu führen, das darf schon müde machen. Wohlig müde und zufrieden.
Aber dieses Mal meldete sich der Satz: „Ich glaube ich werde alt“!
Vor mir bauten sich dicke Wolken-Brummer auf, die den Himmel mit gleißenden Blitzlichtern aufleuchten und ein heftiges Gewitter ahnen ließen. Hinter mir drängelten eilige Autofahrer, die sich von den angekündigten Radar-Kontrollen nicht einschüchtern ließen. Neben mir begleitete mich eine Endlos-Schlange von Brummi-Fahrern, die meine volle Konzentration durch die engen Baustellen erforderte.
Ich hatte Mitleid mit den Brummi-Fahrern, die Tag für Tag ihre Zeit auf Autobahnen verbringen müssen. Ich dagegen war 2 Tage lang mit wundervollen Frauen in einer wundervollen Natur. Was für ein Leben. Ich liebe meinen Beruf, in dem ich so viele tolle Menschen begleiten darf.
Also was wollte nun ausgerechnet heute dieser Satz „ich glaube ich werde alt“ von mir?
Komisch, früher haben mir lange Autofahrten nichts ausgemacht, aber dieses Mal türmten sich nicht nur die Gewitterwolken VOR MIR, sondern auch riesige Gedankenwolken IN MIR auf. Ich spürte eine bleiernde Müdigkeit. „Ich glaube ich werde alt“.
Ich fuhr an der nächsten Raststätte raus, weil ich diesem Gedanken etwas mehr Raum geben wollte, und das war angesichts der Konzentration auf den engen Fahrbahnen nicht möglich.
Ich stellte also mein Auto auf den Parkplatz und löste mir von meinem Klo-Ticket (grins) – eine Tasse Espresso und setzte mich auf die Terrasse. Was für ein Kontrast-Programm, eben noch der wunderschöne Chiemsee mit seiner Stille, eben noch die tollen Frauen und der riesige Spaß beim Seminar, eben noch die liebevolle Verabschiedung und das immerwährende Staunen, wenn aus Fremden Freunde werden und nun dieser kalte, laute unpersönliche Platz und der eklige Abgas-Geruch in meiner Nase.
„Ich glaub ich werde alt“ flüsterte wieder diese Stimme … Stimmt das, fragte ich? Glaube ich das wirklich? Dieser Gedanke versuchte, mich zu erschrecken und mit ihm drängelte mich eine Endlosschlange von Sorgen-Brummis in immer tiefere, immer düstere Gedanken-Wolken.
Plötzlich zuckte ein Blitz über den Himmel. Und noch während ich noch auf das Donnergrollen wartete passierte etwas Erstaunliches:
Auf einmal, ganz ohne Vorwarnung breitete sich ein Lächeln in mir aus.
Kennst du das Gefühl eines inneren Lächelns? Dieser kurze Augenblick, der dir ein seliges Lächeln entlockt? Der Moment, in dem du inneren Frieden und innere Erkenntnis spürst?
Was war passiert?
Eben noch in Gedanken versunken hatte ich gar nicht gemerkt dass ich viel „zu schnell“ auf meiner Gewitter-Gedanken-Autobahn unterwegs war und zick zack, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, ähnlich dem grellen Blitz einer Radarfalle wurde mein Gedanken-Tempo gestoppt:
„Ja ich glaube ich werde alt“ und mein inneres Lächeln formte sich zu einem äußeren heiteren Grinsen und einem völlig erstaunten neuen Gedanken:
Was bitte sollte denn an diese Fest-Stellung (auch so ein Wort) so tragisch sein, dass sich meine Gedanken wie Gewitterwolken auftürmen wollten?
Sätze wie „Ich glaub ich werde alt“ sortieren sich oftmals einfach in unsere Gedanken-Sammlung ein, die wir – ohne weitere Überlegung – als Warnstufe rot einschätzen. Ein Satz, der wie so viele andere ungeprüfte Sätze in eine Einbahnstraße führt, wenn wir ihm keinen Raum dafür geben, um seine tiefere Essenz nachzuspüren.
Ich glaub ich werde alt! Ja! Wie schön!!!! Mein Grinsen wurde noch breiter.
Ich weiß jetzt allerdings nicht mehr, ob ich das laut ausgesprochen habe, oder ob es an meinem breiten Grinsen lag, dass mich ein paar Leute auf der Terrasse anstarrten 😉
Doch in diesem Augenblick nahm ich diesen Satz in mich auf wie ein Mantra.
Ich glaub ich werde alt.
Das könnte doch schlichtweg bedeuten, dass ich noch viel Zeit habe für all die Dinge, die ich so sehr liebe.
Und dann waren sie da, die Sonnenstrahlen in meiner Gedanken-Wolkenfront.
Sonnige Gedankenstrahlen die erleuchten können und alle düsteren Gedankentürme einfach wegradieren und neues Denken möglich machen. Ich nehme diesen Satz ab sofort in meine Schatzkiste der guten Gedanken auf.
Ich glaube ich werde alt. Und das ist gut so. Ich werde meine Zeit genießen und dankbar nutzen. Ich werde dieses kostbare Geschenk LEBEN noch wichtiger nehmen und meine Lebendigkeit noch intensiver spüren.
Ich glaube ich werde alt… Und eine zufriedene Stille breitete sich aus, mitten auf dem stinkigen Parkplatz der Autobahn-Raststätte.
Ich glaube ich werde alt… Und mit diesen Gedanken stellte ich meine Tasse ins Regal und reihte mich wieder neben die Endlos-Schlange der Brummis ein.
Ich glaube ich werde alt… Zufrieden und entspannt stellte ich nach 300 km Fahrt mein Auto in die Garage.
Angekommen. Sicher gelandet. Zuhause. Bei mir.
Hallo Silke,
du schreibst immer so schöne Dinge.
Gerade heute fühle ich mich auch super alt und ausgelaugt.
Da kommt dieser Beitrag gerade richtig 🙂
Ich freu mich schon riesig auf Montagabend – einfach nur abschalten und leben 🙂